Zum Dritten Sonntag der Fastenzeit
Durst – Das ist nicht nur ein Signal des Körpers, das ein Flüssigkeitsdefizit anzeigt. Durst – das ist ein Wort mit vielen Ebenen: Manche Kinder haben einen unstillbaren Wissensdurst, Google dagegen einen unstillbaren Datendurst. Autos dürstet nach Kraftstoff. Und der PC dürstet nach Strom. Während Europas Engergiedurst stagniert, steigt er in Asien steil an. Um Durst geht es auch im Evangelium vom dritten Sonntag der Fastenzeit (Joh 4, 5–15):
In jener Zeit kam Jesus zu einem Ort in Samarien, der Sychar hieß und nahe bei dem Grundstück lag, das Jakob seinem Sohn Josef vermacht hatte. Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Jesus war müde von der Reise und setzte sich daher an den Brunnen; es war um die sechste Stunde.Da kam eine samaritische Frau, um Wasser zu schöpfen. Jesus sagte zu ihr: Gib mir zu trinken! Seine Jünger waren nämlich in den Ort gegangen, um etwas zum Essen zu kaufen. Die samaritische Frau sagte zu ihm: Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten? Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern. Jesus antwortete ihr: Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.
Sie sagte zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief; woher hast du also das lebendige Wasser? Bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben und selbst daraus getrunken hat, wie seine Söhne und seine Herden?Jesus antwortete ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen;wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.Da sagte die Frau zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierher kommen muss, um Wasser zu schöpfen.
Durst ist wahrlich ein vielschichtiger Begriff. Fast erschreckend ist, wie unfassbar groß menschlicher Durst sein kann. Dazu gibt es hier ein paar gesammelte »Durst-Daten«:
Laut UN-Wasserbericht nimmt der Wasserdurst der Welt beständig zu. So steigt der weltweite Wasserverbrauch derzeit jedes Jahr um etwa 1% Prozent an. Dabei ist die Landwirtschaft mit 69% der weitaus größte Wasserdurstige. Ähnlich sieht es mit dem weltweiten Energiedurst aus. Nach aktuellen Prognosen steigt er bis 2050 um jährlich 1,3%.
Und wer etwa glaubt, der weltweite Durst nach Kohle oder Erdöl würde wenigstens zurückgehen und durch regenerative Enerigeträger ersetzt, irrt sich. Dies gilt lediglich für Europa und Nordamerika. Der weltweite Bedarf an fossilen Energieträgern dagegen wird allen Prognosen zufolge in den nächsten 20 Jahren nicht sinken.
Neben den globalen Formen des Durstes gibt es natürlich auch den unbändigen Durst jedes einzelnen. Auch hier zeigen sich verschiedene Formen. Ganz wichtig für die Wirtschaft scheint der Konsumdurst zu sein. Denn der sorgt auch in Zeiten weltwirtschaftlicher Unsicherheiten für eine stabile Einnahmequelle.
Wer über diese eher materiellen Bedürfnisse hinausblickt, wird wohl auch tiefgründigere Formen des Durstes bei sich entdecken, die ebenso gestillt werden möchten. Da gibt es z.B. den Durst nach Anerkennung und Macht oder den Durst nach Geborgenheit und Zuneigung. Und letztlich ist da der Durst nach einem sinnvollen und glückenden Leben.
Dabei müssen wir immer wieder feststellen, dass unser Durst und unsere Sehnsüchte oft maßlos sind. Es scheint keine Grenze nach oben zu geben für den globalen Durst nach Energie und Rohstoffen. Aber auch der persönliche Durst nach Konsumgütern, nach Wohlstand, nach Anerkennung, nach erfülltem Leben ist ein wiederkehrendes Verlangen, das grenzenlos erscheint.
Wie vielschichtig menschlicher Durst sein kann, verdeutlicht auch die Begegnung im Evangelium:
Jesus kommt mit seinen Jüngern um die Mittagszeit an einen Ort in Samarien. Am Brunnen trifft er auf eine Frau und bittet sie um Wasser. Das Gespräch ist voller Missverständnisse. Während die Samariterin zunächst von natürlichem Durst und Wasser spricht, hebt Jesus Durst und Wasser auf eine spirituelle Ebene, wenn er sagt: »Wer von diesem (Brunnen-)Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben.« Dem Zuhörer ist von Anfang an klar, dass Jesus hier von sich selber spricht. Er selbst ist das lebendige Wasser, das den Durst nach Leben, nach Lebensfülle stillen kann. Und das nicht nur für kurze Zeit, sondern für immer.
Die Samariterin kann die geistliche Sinnebene der Worte Jesu nicht erklimmen. Beim durststillenden Wasser Jesu denkt sie zunächst an ein »Wunderwasser«, das niemals mehr durstig macht und bittet Jesus: »Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierherkommen muss.« Erst am Ende der Erzählung wird sie den tieferen Sinn der Worte Jesu erkennen und ahnen, welches Angebot darin für sie steckt.
Mir gefällt die Idee vom »Wunderwasser«, das allen Durst für immer stillen kann: Eine wunderbare Energiequelle, die unseren Energiedurst von heute auf morgen und für immer befriedigt. Ein Trank, der mein Streben nach Anerkennung, Geltung oder Wohlstand automatisch zufrieden stellt. Eine Pille, die in mir Zufriedenheit auslöst mit dem, wer ich bin und was ich habe. Alles nur Träumerei!! Dieses Wunderwasser gibt es nicht und wird es niemals geben. Zumindest nicht auf der soeben dargelegten Sinnebene. Doch wenn wir die Sinnebene wechseln, dann gilt das Angebot Jesu, »Wunder«-Wassers des Lebens zu sein, ebenso für uns. Jedoch zielt sein Angebot auf unseren spirituellen Durst, auf unsere Sehnsucht nach einem Leben in Fülle. Unseren Durst nach Konsum, nach Anerkennung, nach Selbstverwirklichung oder nach Wohlstand wird Jesus damit nicht stillen. Und dennoch wird sich bei mir etwas verändern, wenn Jesus zum Lebenswasser für mich wird:
Viele andere Formen unseres Durstes, die ständig nach Stillung zu rufen scheinen, werden ihrer Brisanz beraubt. Wenn ich in Jesus das Wasser finde, das mir Lebensfülle schenkt, dann brauche ich all den anderen Durst nicht mehr so dringend zu stillen. Wohlstand, Anerkennung, Konsum, Karriere usw.: All diese Bedürfnisse wollen sicher weiter gefüttert werden, aber sie werden für mich ihre Priorität verlieren…
…und das ist gut für mich und gut für unser Klima!
Bild © Wolfgang Zwanzger